Ach, wenn doch endlich die Kartoffeln kämen [1] (von Dela Risse)

12.04.1947. Lotte und Dr. Carl Risse lebten vorerst nach der Zerstörung ihres Soester Hauses in der Ulricherstraße auf dem Hof der Familie in Meiningsen.

Eine Verwandte, in Bremen mit ihrer Familie der furchtbaren Nahrungsmittelknappheit nach dem Krieg ausgesetzt, wartete auf einen Karton Kartoffeln aus Meiningsen. Der Brief, ein zeitgeschichtliches Dokument, wird hier in Auszügen wiedergegeben:

"Bremen, 12.4.47

Liebe Lotte!

(...) Möge Dir das neue Lebensjahr eine bessere Zeit bringen (...) Rolf [ Anmerkung Dela Risse: cand. arch. in Karlsruhe] ist nicht gekommen, er fühlte sich für die Reise nicht kräftig genug. Er macht uns große Sorgen, ist vollständig unterernährt. (Entschuldige nur den Tintenfleck mein Füller ist ausgelaufen). Man hat ja so wenig Papier.- Nun ist es heute schon Sonnabend nach Ostern und der Mann aus Hattingen ist noch nicht hier gewesen mit den Kartoffeln. Was sind das alles für Schwierigkeiten. Gehe schon gar nicht mehr aus dem Hause, um hier zu sein, wenn die Kartoffeln kommen sollten.- Einen Karton habe ich nicht abschicken können weil der, den ich habe, nicht kräftig genug ist für Kartoffeln.

Höre hier so viel, daß Eilgut geschickt wird, wäre es denn gar nicht möglich, daß Ihr die Kiste erstmal abschicktet per Eilg. Da doch auch jetzt mehr Züge fahren, nach Westfalen hin und her.- Von Karlsruhe ist noch eine sehr schlechte Verbindung nach hier, da hätte Rolf Tage unterwegs sein müssen.

Für uns war Ostern trostlos, wenn bloß Rolf wieder hoch kommt, in 8 Tagen beginnt das Semester dort wieder. (...)

Euch allen recht herzliche Grüße von uns Baakes.

Ach, wenn doch endlich die Kartoffeln hier wären."

Reichsbrotkarte1940
Reichsbrotkarte B, gültig vom 3.6. bis zum 30.6.1940. (Original von Udo Rühl)
Anstelle von je 100g Brot können auf je 10 Abschnitte dieser Karte 75g Mehl bezogen werden. Die Karte ist nicht übertragbar und ohne Namenseintragung ungültig.

Sofort nach Beginn des Krieges im September 1939 setzte für die Bevölkerung in Deutschland eine Rationierung von Butter und Kaffee ein.

Diese Maßnahme wurde später auf Fleisch, Fett, Brot, Nährmittel, Kartoffeln, Kleider, Schuhe, Kurzwaren und sogar auf Seife erweitert. Als Begründung: Es sollten sich Hunger und Mangel wie im Krieg 1914/18 nicht wiederholen.

Wer als Berufstätiger täglich in einem Lokal ein Stammessen verzehrte, brauchte seine Bezugsschein-Abschnitte nötig. Brötchen beim Bäcker zu holen war ohne Brotmarken unmöglich. In einem Café ein Stück Kuchen zu verzehren, als dieser Luxus überhaupt noch möglich war, bedeutete gleichzeitig die Abgabe der entsprechenden Marken. Der Ober hatte die dazu notwendige Schere dabei. Und wie schnell waren die Bezugsscheine vorm Ende des Monats aufgebraucht.

Es ist jedoch sicher bekannt, dass besonders in Großstädten die schrecklichste Zeit des Hungers und Mangels erst nach dem Krieg begann.

Einen schwunghaften Schwarzhandel mit Bezugsscheinen hat man durch die Eintragung des Namens auf der Karte verhindern wollen, aber nicht gänzlich ausschließen können.

Bezugsscheine aus der Zeit des Krieges 1914/18:

Bezugsscheine1916
Bezugsscheine im Jahr 1916 für jeweils 20 g Fleisch. (Original Udo Rühl)

Bezugsscheine1917
Ein Bezugsschein für 100 g Käse gültig bis zum 15. Juni 1917. (Original Udo Rühl)

Quelle

  1. Dela Risse: Meiningsen im Wandel der Zeit. Meiningsen 2001. Siehe Literaturverzeichnis.