Die Zimmerei und Stellmacherei Sievert, Kleine Gasse 7 [1]

1956
Auf der rechten Seite die Werkstatt. (Foto von Werner Sievert)

Der Zimmermann Andreas Sievert (1862-1916) aus Ostönnen kaufte 1894 das Anwesen Haus Nr. 56 von der Familie Kensmann.

Zwei Jahre später heiratete er Lisette Wilms (1874-1943) aus Meiningsen. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.

Das Geschäft blühte, teilweise waren bis zu 5 Gesellen beschäftigt. Die Arbeit war hart, denn es gab noch keine Maschinen. Äxte, Hämmer, Beile, Hobel und Handbohrer waren die hauptsächlichen Werkzeuge.

Im Jahre 1912 wurde eine Werkstatt angebaut, um auch Arbeiten bei schlechtem Wetter ausführen zu können.

Andreas Sievert war Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr Meiningsen (siehe Satzung der Feuerwehr von 1911 und Auszug aus dem Protokollbuch 1911-1971 in diesem Buch Seite 173).

Nach seinem frühen Tod im Jahre 1916 kam der Betrieb zum Erliegen.

Sohn Fritz (1906-1983) erlernte das Stellmacher- und Zimmererhandwerk bei Verwandten in Ostönnen. 1927 konnte er sich selbständig machen und die Werkstatt wieder eröffnen. Die ersten elektrischen Maschinen wurden angeschafft, um schneller und besser arbeiten zu können. Die Werkstatt wurde daraufhin 1932 vergrößert.

Zu dieser Zeit wurden auch Särge hergestellt. Manche Familien waren in der Lage, die Eichenbretter für den Sarg selbst zu liefern. Sie hatten aus Eigenbesitz (Wald oder Hof) dicke Eichenstämme zu Brettern schneiden lassen. Diese wurden dann zum Zimmermeister gebracht, der dann innerhalb von 36 Stunden einen Sarg in Handarbeit herstellte. Erst Mitte der 50er Jahre kamen die Särge aus einer nahen Fabrik.

In der Kriegszeit musste die Arbeit eingestellt werden. Fritz Sievert wurde 1939 zum Militärdienst eingezogen, und nach zweijähriger Gefangenschaft in Frankreich kam er Ende 1947 wieder heim. Die Werkstatt wurde von der Wehrmacht als Depot benutzt. Seine Ehefrau Elfriede musste für sich und zwei Kinder in dieser Zeit alleine sorgen.

Die Aufbaujahre waren bestimmt durch viel Arbeit. Die Aufträge kamen aus den umliegenden Gemeinden. Viele Wagen und Räder wurden hergestellt oder repariert. Der benachbarte Schmied (Kraska) führte die Metallarbeiten aus.

Mit Beginn der Traktorenzeit gab es für den Stellmacher nicht mehr viel zu tun. Fortan waren Reparatur- und Zimmererarbeiten der Haupterwerbszweig. Bei großen Aufträgen halfen die benachbarten Zimmerleute aus. Ein Richtspruch durfte auch nicht fehlen. Bis zu seinem Tod war Fritz Sievert in der Werkstatt tätig.

1978

Richtfest auf dem Borghof (Bußmann, heute Wäsch), das Dach ist 1978 gedreht worden. (Foto von Familie Bußmann)
V. l. Karl Topp (Deiringsen), Fritz Schulte (Ampen), Walter Topp (Deiringsen), Fritz Sievert und Friedrich Sievert.

1978

In den 30er Jahren und nach dem Krieg arbeitete Meister Sievert bis 1962 nebenberuflich als Trichinenbeschauer. So manches Kind durfte bei ihm einmal durch das Mikroskop schauen.

Sohn Friedrich, der schon lange mitgearbeitet hatte, übernahm die Werkstatt. Leider mußte er aus gesundheitlichen Gründen die Arbeit schon 1991 aufgeben. Seit dieser Zeit ist die Werkstatt geschlossen.

Das Richtfest (von Dela Risse nach Angaben von Friedrich Sievert)

Nachdem das Holzwerk des Dachstuhls eines Hauses fertig zusammengefügt worden war, versammelten sich Bauherr, Gäste und Zimmerleute, um das Richtfest zu feiern.

Der mit Bändern verzierte Richtkranz wurde unter einem besonderen Zeremoniell an die höchste Stelle des Daches gezogen und ein überlieferter Zimmermannsspruch durfte auch nicht fehlen. Man dankte und lobte Gott, der die Arbeiter vor Schaden behütet hatte und bat für diesen Bau um Abwendung von Gefahren wie Feuer und Wasser.

Ein besonderes dreimaliges Klopfen mit dem Zimmermannshammer während der Pausen des Vortrags (Hopsa Musikanten) war weithin im Dorf zu hören. Daraufhin stellte der Zimmermann im Namen aller Arbeiter an den Bauherrn die Frage, ob er mit der Arbeit der Männer zufrieden gewesen sei. Nach dessen befriedigender Antwort prostete der Zimmermann den unten stehenden Menschen mit einem Glas Wein zu. Er trinke auf den Bauherrn, den Landesherrn und alle versammelten Freunde, darauf schleuderte er das leere Glas in die Tiefe. Natürlich sollte es zerspringen, um Glück und Segen zu erlangen.

Der Zimmermannsspruch schließt mit der Bitte für das Haus: "Herr Jesu, sei ihm mild in Sturm und Sonnenschein und Regen. Amen."

Der Zimmermannsspruch von Werner und Friedrich Sievert:

"Hört meinen Gruß, ehrsame Leut',
Die unten versammelt stehen heut'.
Gott grüß Euch alle insgemein
Alle sollen gegrüßet sein.
Nun laßt uns heute vor allen Dingen
Dem Höchsten Dank und Ehre bringen.
Dem Baumeister der ganzen Welt,
Ohne den kein Sperling vom Dache fällt.
Und dessen Sohn Herr Jesus Christ
Selbst ein Zimmermann gewesen ist.
Ja, hochgelobt sei Dein Name,
Daß der Bau so glücklich zustande kam.
Und daß von der Arbeit allen,
Kein einziger ist hinuntergefallen.
Gott wolle diesen Bau bewahren
Vor Feuer und vor Wassersnot.
Er möge ihn schützen vor Gefahren
Und wenn ihm je ein Unglück droht,
So möge er seine Hilfe senden.
Er segne den Bau an allen Enden.
Hopsa Musikanten ...

Doch ist auch recht, wie wir den Bau erbaut?
Den Bauherrn bitt' ich, daß er dies prüfet, schaut,
Ob sich das Werk zum Besten wirklich neige.
Bauherr, ich frage Euch aus freiem frischen Mut,
Wie Euch dieser Bau gefallen tut?

Antwort
Für Ihren Ausdruck der Zufriedenheit
Sei Euch mein froher Herzensdank geweiht.
Der biedere Mann sucht zu vollbringen,
Was dem ehrlichen nur gefällt,
Er will nur Gutes treu erringen
Und kümmert sich nicht um die Welt.
Erhaben über eitles Lob und Tadel,
Er strebt vor Gott den wahren Seelenadel.
Das gute Werk besteht,
Man mag es nur nicht kennen,
Wer nach uns kommt,
Wird es mit frommer Liebe nennen.
Sind unsere Tadler längst zur dunklen Gruft gegangen,
Lebt doch das Werk, das wir mit Gott anfangen.

Darauf schmeckt ein Gläslein Wein!
Bauherr, ich trinke für Euch aus Lieb und Lust,
Nicht aus Haß oder großem Neid,
Sondern aus Liebe und Freundlichkeit,
Auf unseres Landesherrn Tapferkeit,
Auf seines Feindes Verderblichkeit,
Auf hiesiger Herrn Gesundheit
Und alle guten Freunde, die unten stehen mit eingeschlossen.
Jetzt trinke ich für Euch alle,
Gebt acht, das Glück wird hinunter fallen.
Hinunter ist es gar gefährlich.
Das Stehen hierauf beschwerlich,
Doch will ich mich nicht lang bedenken
Und dieses Glas hinunterschwenken.
Hopsa Musikanten ...

Wie dort das Glas, so muß des Leibes Hülle
Am Lebensabend untergehen.
Sie sinkt nur hin, um am ewigen Morgen noch schöner zu erstehen.
Und dieser Kranz sei uns ein himmlisch Zeichen,
Daß dieser Bau hier möge lange blüh'n,
Daß Treu und Güte sich die Hände reichen,
Am sanften Joch des Herrn vereinigt ziehen.
Der Kranz des Glaubens und der Liebe blüh'n,
Daß dem des Geistes Früchte zart entsprießen.
Der Pilger trinket hier in seiner Müh (am Born),
Aus dem ihm Kraft und Leben fließt,
Die dunklen Wolken mögen fern hin ziehen.
Hier wohnt nur der stille fromme Friede.

Ja, Vater, kröne diesen Bau mit Segen.
Herr Jesu sei ihm mild in Sturm und Sonnenschein und Regen,
Sei Du ihm Fels und Schild.
Doch ehe ich von dieser Stätte scheide,
Blick ich hinauf zu Gott ins Abendrot.
Herr, segne diesen Bau in Freud und Leid,
Bewahre ihn vor großer Feuersnot.
O, segne ihn noch in später Ewigkeit
Und schenk uns allen einst die Seligkeit.
Amen!
"

Quelle

  1. Werner Sievert nach Angaben von Friedrich Sievert in:
    Dela Risse: Meiningsen im Wandel der Zeit. Meiningsen 2001. Siehe Literaturverzeichnis.